Gewalttaten gegen Polizeivollzugs­beamte

Gewalt gegen Polizisten ist ein ernstes Problem, das sowohl die Beamten selbst als auch die Gesellschaft betrifft. Gerade nach der vergangenen Silvesternacht kam das Thema vermehrt in den Medien zu Sprache. Wie sich die Gewalt in den letzten Jahren entwickelt hat, wie sie von den Beamten wahrgenommen wird und welche Folgen die Beamten von den Übergriffen tragen, wird im Folgenden dargestellt.

Zur momentanen Datenlage:

Das vom Bundeskriminalamt im Oktober 2022 veröffentlichte „Bundeslagebild Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte 2021“ (BKA, 2022) stellt eine gute Grundlage dar, um die Gewalttaten einordnen zu können.
Das Bundeskriminalamt bedient sich bei der Definition der Gewalttaten am Strafgesetzbuch. Berücksichtigt werden „folgende Delikte, bei denen mindestens ein [Polizeivollzugsbeamter] als Opfer erfasst wurde:

  •  Mord (§ 211 StGB)
  • Totschlag (§ 212 StGB)
  • Raubdelikte (§§ 249 – 252, 255, 316a StGB)
  • Körperverletzung mit Todesfolge (§§ 227, 231 StGB)
  • Gefährliche und schwere Körperverletzung, Verstümmelung weiblicher Genitalien (§§ 224, 226, 226a, 231 StGB)
  • Vorsätzliche einfache Körperverletzung (§ 223 StGB)
  • Freiheitsberaubung (§ 239 StGB)
  • Nötigung (§ 240 StGB)
  • Bedrohung (§ 241 StGB)
  • Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen (§§ 113, 115 StGB)
  • Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen (§§ 114, 115 StGB)“ (BKA, 2022, S.8).

Allgemeiner Trend:

Die zurückliegenden Lagebilder des Bundeskriminalamtes weisen einen klar steigenden Trend in Bezug auf Gewalttaten gegen Polizeivollzugsbeamte auf. Eine Besonderheit stellt das „52. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften“ vom 23.05.2017 dar. Diese Änderung des Gesetzes fällt im Trend deutlich auf. 2018 weist das Bundeslagebild einen Anstieg der Fälle von 39,9% auf. Dieser hohe Anstieg ist zum Großteil auf die Gesetzesänderung zurückzuführen und erschwert die Auswertung der Daten. Trotz dieses Sprungs in den Daten, zeigt ein Vergleich der Jahre 2014 bis 2021 (Abb. 1.) dennoch eine kontinuierliche Zunahme der Delikte.

Entwicklung der Gewalt gegen Polizisten 2014 bis 2021

Abbildung 1 Überblick der Fallzahlen – Gewalttaten gegen PVB (vgl. BKA, 2015-2022)

Verteilung Gewalttaten 2021:

Mit Blick auf die Verteilung der Gewalttaten zeigt sich, dass der Großteil der Fälle Wiederstandshandlungen oder tätliche Angriffe darstellen. Dies ist auch so zu erwarten, da ihre Definition recht breit formuliert ist. Im Lagebild heißt es dazu:

Ein „[t]ätlicher Angriff im Sinne des §114 StGB ist jede in feindseliger Absicht unmittelbar auf den Körper des anderen zielende Einwirkung ohne Rücksicht auf ihren Erfolg (z.B. Flaschenwurf, der die Polizistin verfehlt oder die Abgabe von Schreckschüssen). Zu einer körperlichen Verletzung muss es nicht kommen.“ (BKA, 2022, S. 8).

Gewalt gegen Polizisten 1

Abbildung 2 Übersicht der Verteilung der Straftaten in 2021 (vgl. BKA, 2022, S.9)

Gerade bei größeren Einsätzen, wie zum Beispiel Demonstrationen, ist somit eine Vielzahl dieser Delikte zu erwarten. Dies spiegelt sich auch in der Ausrüstung der Einheiten wieder. So ist davon auszugehen, dass beispielsweise bei Demonstrationen zwar mehr Delikte aufgezeichnet werden, (schwere) Verletzungen und andere gesundheitlichen Folgen aber durch eine gute Vorbereitung und entsprechende Schutzkleidung vermieden werden können. (vgl. Ellrich et al., 2012, S. 96)

Als deutlich gefährlicher einzustufen, sind solche Situationen, in denen es zum unvorbereitetem Bürgerkontakt kommt. Angriffe erfolgen hier häufig ohne eine Möglichkeit der Beamten zur Vorbereitung. Gerade bei Delikten in „Verkehrssituation[en] oder bei einer Personenkontrolle […]“ (Ellrich et al., 2012, S. 88), werden die Beamten von den Angriffen oftmals überrascht (vgl. Ellrich et al., 2012, S. 88).

Die Arbeit von Ellrich et al. (2012) bestätigt beide Annahmen. Tabelle 5.16 (Ellrich et al., 2012, S. 96) zeigt, dass PVB am häufigsten bei Verkehrskontrollen, -unfällen oder -delikten mehrere Verletzungen erleiden. Demonstrationen hingegen weisen hier den niedrigsten Wert auf. Gerade Verletzungen im Gesicht bzw. am Kopf treten laut Ellrich et al. (2012) am seltensten bei Demonstrationen auf.

Auch die Übergriffsart ist stark von der jeweiligen Einsatzsituation abhängig. Streitigkeiten und Schlägereien weisen den höchsten Anteil für direkte körperliche Gewalt auf, Demonstrationen führen einerseits im Gebrauch von Waffen und Gegenständen, weisen dafür allerdings auch den niedrigsten Wert für körperliche Gewalt auf (vgl. Ellrich et al., 2012, S. 41).

Unabhängig von der Übergriffsart konnten im Jahr 2021 97,7% der Delikte aufgeklärt werden. Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft machen mit 70,6% einen Großteil der Täter/Tatverdächtigen aus, Tendenz steigend (vgl. BKA, 2022, S. 24).

Folgen:

Die Folgen gewalttätiger Angriffe bilden ein breites Spektrum ab, so reichen die physischen Verletzungen von nicht vorhandenen oder leichten Verletzungen bis hin zum Tod. Aber auch die psychischen Folgen sollten nicht außer Acht gelassen werden.

Mit 39.649 aufgezeichneten Fällen und rund 279.000 Polizeivollzugsbeamten im Sommer 2021, sind laut Statistik rund 14,2% von solchen Übergriffen betroffen. 14,2% sind zu hoch, leider steigt dieser Prozentsatz jedoch noch deutlich an. Laut BKA gab es 2021 39.649 Fälle von Gewalt gegen Polizisten, jedoch 88.626 betroffene PVB (vgl. BKA, 2022, S.19). Somit steigt der Prozentsatz auf 31,7%. Von den Betroffenen PVBs waren zudem 49,5% zwischen 25 und 35 Jahren alt.

Fast jeder dritte PVB war im Jahr 2021 von solchen Gewalttaten betroffen und gerade bei jüngeren Beamten steigt das Risiko Opfer eines Gewaltdeliktes zu werden weiter. Über eine Dienstzeit von beispielsweise 40 Jahren ist leider zu erwarten, dass jeder Polizist eher früher als später einmal selbst betroffen ist.

Nicht alle diese Fälle führen zu einer direkten Verletzung eines Beamten, die psychische Belastung, welche mit diesem erhöhtem Grundrisiko einhergeht, sollte jedoch nicht unterschätzt werden.

Eine Befragung von PVB durch Ellrich et al. zeigt das über ein Viertel der befragten PVB über Probleme beim Schlafen berichteten, und dies teilweise auch über einen Zeitraum von über vier Wochen (vgl. Ellrich et al., 2012, S. 97). War ein PVB für über 2 Monate Dienstunfähig so steigt der Anteil auf knapp 40 % und rund 18 % dieser Gruppe wiesen Anzeichen für eine Posttraumatische Belastungsstörung auf (vgl. Ellrich et al., 2012, S. 98).

Fazit:

In der Gesamtbewertung verweist das Bundeskriminalamt drauf, dass „Gewalt gegen PVB […] oftmals im Rahmen dynamischer Interaktionsprozesse und/oder im Affekt ausgeübt [wird]“ (BKA, 2022, S. 50). Weiter heißt es „die Achtung vor der Durchsetzung der Staatsgewalt [muss] als gesamtgesellschaftliches Thema begriffen werden […]“ (BKA, 2022, S. 50). Gerade Demonstrationen führten oftmals zu Gewalttaten gegen Beamte, da „diese als ‚am nächsten greifbare‘ Repräsentation des Staates für jegliche Umstände ‚haftbar‘ gemacht werden“ (BKA, 2022, S. 50).  Das Bundeskriminalamt betont nochmals, dass PVB ein „hohe[n] und konkrete[n] Berufsrisiko“ (BKA, 2022, S. 50) umgehen müssen.

Wie Eingangs angedeutet, betrifft Gewalt gegen PVB nicht nur die Beamten selbst sondern auch die Gesellschaft in dessen Auftrag die Beamten unterwegs sind. So sollte auch der Umgang mit dem Thema nicht nur im dienstlichen Rahmen verbleiben, sondern weiterhin öffentlich thematisiert werden.

Wir, als Versicherungsexperten für Polizisten, sehen unsere Aufgabe darin, alle Polizisten bestmöglich in unserem Fachgebiet zu betreuen und abzusichern. In der Recherche zu diesem Beitrag waren wir recht entsetzt darüber, wie hoch die konkreten Fallzahlen doch sind.

Wir wünschen allen Beamten einen unfallfreien Dienst und hoffen, dass es bei den Fallzahlen in naher Zukunft eine Trendwende gibt!

Solltest du noch Fragen zum Beitrag oder zu deiner Versicherung haben, kannst du dich gerne unkompliziert und kostenlos bei uns melden!

Quellen:

BKA (2022). Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte. Bundeslagebild 2021. (Gewalt gegen PVB V 1.0). Bundeskriminalamt.

BKA (2015-2022). Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte. Bundeslagebild 2014-2021. (Gewalt gegen PVB V 1.0). Bundeskriminalamt.

Ellrich, K., & Baier, D., & Pfeiffer, C. (2012). Polizeibeamte als Opfer von Gewalt. Ergebnisse einer Befragung von Polizeibeamten in zehn Bundesländern. (Erschien in „Interdisziplinäre Beiträge zur kriminologischen Forschung“. 2012.). Nomos-Verlag.

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